Bei der Auswahl von Übungen sollten deshalb sowohl Übungen gewählt werden, die die medialen, zur Körpermitte gelegenen Anteile der Hamstrings mehr beanspruchen, zum Beispiel Kettlebell Swing oder Deadlift, als auch Übungen, die die lateralen, seitlichen Anteile stärker fordern (Leg-Curl-Varianten, Hip Extension, Lunge).
Das Gesamtvolumen der medialen Anteile der Hamstrings ist größer als das der lateralen. Aufgrund dessen unterliegen die seitlichen Anteile einem höheren Verletzungsrisiko, das sich auch in einer vermehrten Verletzungshäufigkeit widerspiegelt. Demgegenüber werden die medialen Anteile der Hamstrings bei hohen Belastungen, wie maximalen Sprints, stärker aktiviert.
Infolgedessen sollten verschiedene Übungen im Training involviert werden, um die medialen und lateralen Anteile bestmöglich zu entwickeln und somit auf hochintensive Belastungen, zum Beispiel Sprints, vorzubereiten. Aus diesem Grund ist es ebenfalls notwendig, die Hamstrings mit unterschiedlichen Belastungsreizen und Durchführungsgeschwindigkeiten zu trainieren.
Die im Krafttraining absolvierten Übungen zur Steigerung der exzentrischen Kraft der Hamstrings werden jedoch vorwiegend langsamer ausgeführt als die entsprechenden Bewegungen in der eigentlichen Sportart, für die trainiert wird. Daher wird empfohlen, auch reaktiv-plyometrische Übungen in unterschiedlichen Bewegungsebenen, in der Sagittal- und Frontalebene, sowie Sprints mit maximaler Geschwindigkeit in das Trainingsprogramm zu integrieren.
Plyometrisches Training führt im Vergleich zum klassischen Krafttraining zu anderen Adaptationen: Plyometrische Übungen verlängern die Sehnen, Krafttraining hingegen führt zu einem Anstieg der Sehnenfestigkeit. Beide Faktoren schützen vor Hamstringverletzungen. Auch dies spricht für ein variables und durch verschiedene Anforderungen geprägtes Trainingskonzept. Je geringer die exzentrische Kraft der Hamstrings ausgebildet ist, desto verletzungsanfälliger sind sie.
Auch bei der Hüftstreckung sind die Hamstrings häufig überlastet, wenn die Gesäßmuskulatur konzentrisch arbeiten muss, jedoch zu schwach ausgebildet ist. Ein funktionelles Krafttraining für die hintere Muskelkette, welches beide Aspekte aufgreift, beugt dementsprechend wirksam Verletzungen vor. Zudem sollten bilaterale Übungen, sobald sie stabil ausgeführt werden können, durch unilaterale Übungen ergänzt werden, um noch spezifischer auf das Leistungsziel hinzutrainieren. In diesem Kontext sind Übungen in der geschlossenen und offenen kinematischen Kette variabel einzubauen.
Ein Athlet auf einem hohen Leistungsniveau wird alleine durch geführte Übungen wie die Beinpresse oder -beuge in sitzender Position keine Steigerung seiner Leistung mehr erreichen. Zusammenfassend kann noch einmal gesagt werden, dass ein ganzheitlicher Ansatz zur Reduzierung von Hamstringverletzungen empfohlen wird – bestehend aus hüft- und kniedominanten Übungen im Krafttraining sowie Beschleunigungs- und Sprinttraining bei maximaler Geschwindigkeit. Die Sprints sollten Richtungsänderungen und Abbremsmanöver beinhalten und die Muskulatur rund um das Hüft- und Sprunggelenk sollte mobilisiert werden. Zudem kann in einer methodischen Reihe trainiert werden. Hierbei wird eine Abfolge von Übungen trainiert.
Mehr Beinkraft und Beweglichkeit sowie weniger Verletzungen durch Training der ischiocruralen Muskulatur
Die hintere Oberschenkelmuskulatur, auch als ischiocrurale Muskulatur bezeichnet, ist insbesondere beim Sport sehr verletzungsanfällig. Aktuelle Statistiken speziell aus dem Fußball und dem American Football zeigen, dass trotz aktiver Prävention in Training und Spielvorbereitung die hohe Verletzungsrate der sogenannten Hamstrings im Wettkampf in den letzten zehn Jahren konstant blieb und durch höhere Anforderungen im Training sogar anstieg.
Die funktionelle Wirkungsweise dieser Muskelgruppe wird häufig unterschätzt, der hohen Verletzungsanfälligkeit kann jedoch durch differenziertes Training vorgebeugt werden.
In diesem Ratgeber betrachten die Autoren die ischiocrurale Muskulatur ganzheitlich, erklären die Biomechanik anschaulich und stellen Risiko- und Schutzfaktoren basierend auf den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen dar.
Wirkungsvolle Präventionsstrategien, Trainingsmethoden wie funktionelles Kraft- und Mobilitätstraining, zahlreiche reaktiv-plyometrische Übungen, die detailliert beschrieben und bebildert sind, sowie Anregungen zum Programmdesign können sofort in die Praxis umgesetzt werden.
Das vorliegende Buch können wir Ihnen nur wärmstens empfehlen! Es bietet den derzeit umfassendsten Ratgeber zur Muskelgruppe der Hamstrings im deutschsprachigen Raum.
1. Legen Sie die Rolle unter die hintere Oberschenkelmuskulatur des rechten Beins knapp oberhalb des Kniegelenks, während Sie das linke Bein angewinkelt neben der Rolle aufstellen. Stützen Sie Ihre Hände unterhalb der Schultern auf dem Boden ab. Aus dieser Position heben Sie das Gesäß leicht an.
2. Rollen Sie die hintere Oberschenkelrückseite von oberhalb des Kniegelenks bis zur Gesäßmuskulatur aus, rollen Sie dafür hin und zurück. Achten Sie darauf, dass Sie die inneren, mittleren und seitlichen Anteile der Muskulatur mit bearbeiten. Rotieren Sie Ihr Bein dazu nach links und rechts. Im Anschluss wechseln Sie das Bein.
1. Nehmen Sie eine Liegestützposition ein, Ihre Hände befinden sich direkt unter den Schultern. Achten Sie auf einen stabilen Rumpf und eine neutrale Lendenwirbelsäulen- und Beckenposition, sodass Sie weder das Gesäß nach oben strecken noch in der Körpermitte durchhängen. Ihr Körper bildet vom Kopf bis zu den Füßen eine Linie.
2. Spannen Sie die hüftbeugende Muskulatur an und führen Sie dadurch ein Kniegelenk aktiv zur Brust Halten Sie diese Position für 10 bis 20 Sekunden und wiederholen die die Übung 3- bis 4-mal pro Bein.
1. In der Ausgangsposition starten Sie aufrecht stehend in einer Schrittstellung, die Schrittweite beträgt etwa zwei Fußlängen. Die Ferse des vorderen Fußes ist unter dem Kniegelenk platziert, der hintere Fuß beziehungsweise Fußrücken auf einem Stepp , der auf etwa 30 bis 40 Zentimeter Höhe eingestellt ist, oder einer Bank. Neigen Sie Ihren Oberkörper leicht nach vorn, sodass Ihr Körper eine Linie von den Schultern bis zum Kniegelenk des hinteren Beins bildet. Auf diese Weise vermeiden Sie eine Überstreckung in der Lendenwirbelsäule. Verschränken Sie Ihre Arme hinter dem Kopf.
2. Nun senken Sie sich senkrecht nach unten ab, bis Ihr hinteres Knie fast den Boden berührt. Halten Sie die Position kurz und drücken Sie sich dann mit Kraft aus der vorderen Ferse wieder hoch in die Ausgangsposition beziehungsweise bis zur kompletten Hüftstreckung. In der Streckbewegung atmen Sie aus. Wechseln Sie nun die Beine. Führen Sie 8 bis 10 Wiederholungen mit jeder Seite durch.
Vielleicht kennen Sie den Rear Foot Elevated (RFE) Split Squat unter einem anderen Namen, oft wird er auch erhöhter Split Squat oder Bulgarian Split Squat genannt. Besonderheit dieser Squat-Variante ist, dass der hintere Fuß auf einer Erhöhung steht und die Übung dadurch erschwert wird.
1. Nehmen Sie einen etwas mehr als hüftbreiten Stand ein. Ihre Füße und Kniegelenke sind leicht nach außen rotiert für mehr Beinachsenstabilität. Senken Sie für die Beschleunigung beim Absprung Ihren Körperschwerpunkt leicht ab, indem Sie Ihre Hüft- und Kniegelenke beugen. Setzen Sie Ihre Arme unterstützend für den Schwung durch eine Aushol- beziehungsweise Counter-Movement-Bewegung ein.
Dafür strecken Sie sie in der Ausgangsposition nach hinten. Achten Sie auf eine größtmögliche Rumpfspannung.
2. Springen Sie nun aus dieser Position auf die Box, indem Sie sich kraftvoll aus den Beinen nach oben abdrücken und gleichzeitig die Arme nach vorn oben schwingen. Richten Sie den Blick während des Sprungs auf die Box und konzentrieren Sie sich auf eine sichere Landung.
3. Landen Sie mit beiden Füßen auf der Box. Die End- beziehungsweise Landeposition auf der Box entspricht der Ausgangsposition. Steigen Sie nach jedem Sprung mit einem Schritt von der Box ab. Führen Sie 6 bis 8 Sprünge durch.
Der Fokus beim Box Jump liegt auf der beidbeinigen Landung auf einer moderat hohen Box von etwa 40 bis 50 Zentimeter Höhe, nicht auf der Sprunghöhe. Ziel ist es, den Absprung aus einer stabilen beidbeinigen athletischen Ausgangsposition mit einer Counter- Movement-Bewegung der Arme und des Körperschwerpunktes zu beschleunigen. Häufigstes Fehlerbild ist die X-Bein-Bewegung im Kniegelenk beim Absprung und bei der Landung, also immer dann, wenn die Muskelkette belastet wird.
Beanspruchte Muskulatur: Bei den Acceleration Sprints wird die gesamte Strecker- und Beugerkette der Beine bei maximaler Rumpf- und Beckenstabilisierung beansprucht, um die Kniehub- und Abdruckphase zu gewährleisten.
1. Nehmen Sie in der Ausgangsposition einen etwa hüftbreiten Stand bei aufrechter Körperhaltung ein. Ihre Arme halten Sie gestreckt neben dem Körper.
2. Lassen Sie sich nun im nächsten Schritt selbstbestimmt so weit wie möglich nach vorn kippen. Halten Sie Ihren Körper dabei weiterhin in einer Linie.
3. Kurz bevor Sie die Vorwärtsneigung nicht mehr aus eigener Kraft halten können, heben Sie ein Bein in einem aktiven Kniehub und drücken Sie sich aus dem Standbein heraus nach oben und vorn weg. Die Arme unterstützen die Beschleunigung in Arm-Bein-Kreuzkoordination. Machen Sie so einen schnellkräftigen Schritt nach vorn und beschleunigen Sie im Anschluss maximal auf 100 Prozent.
Der Fokus liegt auf der Hüftstreckung während der Streck- und Abdruckphase des Beins vom Boden. Rumpf- und Beinachsenstabilität sind Grundvoraussetzung bei der Bewegungsausführung.
Der Beschleunigungslauf sollte über 10 bis 20 Meter erfolgen, danach wechseln Sie
das Bein, das den Schritt zuerst vollzieht. Führen Sie 2 bis 3 Sprints je Seite durch.
Achten Sie bei der Übungsausführung vor allem auf die Kniehub- und Abdruckphase, unterstützt durch die Gegenbewegung der Arme.
Autoren: Thomas Gronwald & Thomas Ertelt